Ausverkauf in der ehemaligen Schmider-Villa
ARTIKEL ERSCHIENEN IM WOCHENJOURNAL DURLACH
Ausverkauf in der ehemaligen Schmider-Villa
(sfe) Viele Jahre war die Residenz des ehemaligen Flowtex-Boss Manfred Schmider, in bester Durlacher Höhenlage, der Öffentlichkeit entrückt. Dichte Zäune versperrten den Blick auf das herrschaftliche Anwesen, direkt neben dem Rittnerthof. Nur selten öffneten sich die Kamera-überwachten Schiebetore des Park-Areals um das Aus-oder Einfahren, meist großvolumiger Limousinen, zu ermöglichen. Eher als Randnotiz hatte die Karlsruher Bevölkerung von den opulenten Geburtstagsfeiern des damaligen Hausherrn erfahren, die dort aufwendigst zelebriert worden sind. Die Wichtigen aus Politik- und Wirtschaft sowie Promi-Sterne und -sternchen gaben sich ein zumeist glamouröses Stelldichein. Nur vereinzelte Proteste der Nachbarschaft, wegen des Fluglärms aufgrund eines dort betriebenen Hubschrauber-Landeplatzes, brachte das Höhen-Areal in die öffentliche Diskussion.
Ansonsten war es eher still um das Anwesen. Daran änderte sich auch kaum etwas, selbst nachdem der im Jahr 2000 aufgedeckte Flowtex-Skandal, zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse geführt hatte. Angeblich habe ein osteuropäischer Geschäftsmann die Villen zwischenzeitlich gekauft und bewohnt. Dieser wolle aber in der Anonymität bleiben. Erst im Herbst diesen Jahres wurde der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit geboten, den Wohnsitz von „Big Manni“ aus nächster Nähe zu betrachten. Zuvor hatte der SWR die Villen auf dem Turmberg als Originalschauplatz für den demnächst zu sehenden Spielfilm über das Flowtex-Imperium genutzt. Für diese Filmproduktion wurden im Frühjahr vom SWR etliche Komparsen, auch aus Durlach, gesucht und auch gefunden.
Einige in Durlach aufgestellte Wegweiser zur „Villenauflösung“ aber auch flankierende Zeitungsannoncen „Totalauflösung einer herrschaftlichen Villa in 76227 Karlsruhe-Durlach, Jean-Ritzert-Straße 1“, haben zur Besichtigung des skandalumwitterten Immobilienobjektes eingeladen. Auf einen Ausverkauf des dort befindlichen Inventars sollte die Aktion abzielen. Hochwertige Möbel, Gemälde, Porzellan, Skulpturen, Ikonen und Tafelbesteck waren im Angebot.
Auch ein original amerikanischer Pokertisch, nebst passender Bestuhlung, sollten den Eigentümer wechseln. Für den Kaufinteressent bot sich nun ein spannendes Szenario aus nächster Nähe betrachten zu können. Ein pompöses Gebäudeensemble, eingebettet in eine parkartig gepflegte Landschaft, bilden den Vordergrund vor dem wohl einmaligen Panoramablick auf Karlsruhe bis hin zum Pfälzerwald. Turmbergbesuchern ist dieser faszinierende Ausblick bestens vertraut. Veranstalter der Verkaufsaktion ist das Auktionshaus Peter Lindenfeld aus dem hessischen Schmitten am Taunus. Kerngeschäft des Auktionators sind Villenauflösungen und Schätzungen, wie aus den geschalteten Zeitungsanzeigen ersichtlich wird. Reichlich Personal umgibt den geneigten Besucher, beim Betreten des durch zwei Löwenskulpuren verengten Grundstückseingang. Markiert durch auffallende Kleidungswesten, sind Security-Kräfte damit beschäftigt die vom Wind derangierten rot-weißen Flatterbänder neu zu justieren, welche dem Besucher die gewünschte Wegführung hin zum ehemaligen Schmider- Wohnhaus aufzeigen. Vielfältige Skulpturen von Pferden, Rehen, Hunden und spielenden Kindern flankieren den Weg. Im Haus selbst fasziniert zunächst der atemberaubend schöne Blick durch die bodentiefe Verglasung des Wohnraumes, der schon vom Entree aus sichtbar ist.
Sodann fällt der Blick auf die gewöhnungsbedürftigen schwarzen Fußböden des gesamten Wohnbereiches. Sowohl der teils hochflorige Teppichboden, als auch die keramischen Bodenfliesen sind durchgängig in schwarzer Farbe gehalten. Wollte man hierin etwas symbolhaftes erkennen, dann vielleicht den versteckten Hinweis darauf, dass die Villa und das hochwertige Mobiliar vorwiegend aus Schwarzgeld finanziert worden ist. Die teuren und wertvollen sowie aus vielen Ländern stammenden Möbelstücke, Gemälde und Skulpturen stehen auf einer schwarzen Grundlage. Als neureich und stillos könnte man die Kompositionen bezeichnen, die dort angesammelt worden sind. Entsprechend changierend ist die Stimmung der geneigten Besucher aber auch des anwesenden Personals. Je nach Einfluss und Funktion der Bediensteten variiert das Besucherverhalten in Abhängigkeit der Zeitdauer des Besuchs. Betritt man den Eingangs- und Wohnbereich der herrschaftlichen Villa, so wird man zunächst von einer andächtig ruhigen, museumsartigen Atmosphäre umgeben. Bilder und Möbelstücke, in der Preislage von Klein- bis Mittelklasse Autos werden bestaunt. Das vorwiegend mit osteuropäischem Akzent sprechende und in dunklen Anzügen gekleidete Personal scheint sich eher in der Rolle von gediegenen Museumswärtern zu sehen, als in der eines Verkäufers. Der Besucher fühlt sich beobachtet, dahin gehend, die allesamt wertvollen Exponate nicht zu berühren. Fachlich fundierte Auskünfte werden gerne und in gedämpfter Lautstärke gegeben.
Anders wird das Verhalten, wenn man über die schwarzen Treppenstufen das erste Obergeschoss des Anwesens und die dort befindlichen Schlafräume betritt. Auch hier geben großflächige, bodentiefe Fensterverglasungen den ungehinderten, imposanten Blick auf die Rheinebene frei.
Etwas lautstärker und durchaus auch angereichert mit der einen oder anderen Zote, verlaufen die Verkaufsgespräche in den üppig ausgestatteten Badezimmern dieser Etage. Vielleicht inspirieren die den Badewannenrand umrahmenden Messing-Nymphen in leicht lasziven Posen den ansonsten gepflegten Sprachduktus.
Gänzlich anders verläuft der Ausverkauf im Villen-Souterrain. Dort befinden sich ein großflächiges Schwimmbecken mit Sauna sowie die mit diversen Sesseln und breitflächigen Sofas bestückten Ruheräume. Alles wiederum umrahmt durch den herrlichem Panoramablick auf Karlsruhe. „Heute alles zum halben Preis“ begrüßt der im Ton deutlich jovialere Verkäufer die Besucher auf der tiefsten Ebene des Gebäudes. „Schau mal, da habe ich ein schönes Weihnachtsgeschenk für Mutti gefunden“, ruft ein nun deutlich locker werdender Besucher seiner begleitenden Ehefrau zu und richtet dabei seinen Blick auf eine zwanzigtausend Euro teure lebensgroße Bronze-Nymphe, die den Rand des Schwimmbeckens dekoriert..
Ob die hier ausgestellten und angebotenen Einrichtungsstücke und Accessoires originär vom ehemaligen Flowtex-Chef Manfred Schmider stammen, oder ob es sich hierbei auch um Reminiszenzen des osteuropäischen Zwischennutzers handelt, bleibt fraglich und ist letztlich auch egal. In jedem Fall kann die gesamte Immobilie über einen Karlsruher Franchis-Nehmer einer bekannten Immobilien-Kette zum monatlich Preis von 8.500.- € angemietet werden. Mit anfallenden Nebenkosten von 1.300.- € monatlich muss allerdings noch zusätzlich gerechnet werden. Ob hierin die Kosten für den Gärtner beinhaltet sind, wäre noch zu klären.